Ziviler Friedensdienst – Wie weiter? Jetzt sind Sie gefragt!
Bericht vom Expertengespräch mit Heinz Wagner über den Aufbau den Zivilen Friedensdienstes und dessen Bedeutung
Heinz Wagner, war am 8.10.2013 auf Einladung von DFG-VK und Friedensplenum Mannheim in die Mannheimer Abendakademie gekommen um als Geschäftsführer des forumZFD über seine Erfahrung zu berichten. Die Veranstaltung bildete den Abschluss der Ausstellung über den Zivilen Friedensdienst (ZFD), die vom 11.9. bis 11.10.2013 im Foyer der Abendakademie gezeigt wurde.
Nach der Begrüßung der B
esucher durch Dorit Rode von der Abendakademie und die Veranstalter schlug der Referent angesichts der geringen Teilnehmerzahl eine Vorstellungsrunde vor. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten der Anwesenden sozial oder politisch engagiert oder organisiert sind. Für das Friedensplenum wies Otto Reger darauf hin, dass dort die Idee des Aufbaus einer Friedensakademie in Mannheim diskutiert wird. Durch den Abzug der US-Armee gäbe es eine Menge potenzieller Infrastruktur und daher sei man interessiert diese Idee im Zug der Konversion zu verfolgen. Mit der Ausstellung und Veranstaltungen dazu habe man auch die Absicht verbunden, aktive Unterstützer zu gewinnen.
Zur Einleitung las Herr Wagner eine „Geschichte über ein Gefühl“ von Stephan Marks aus seinem Buch „Scham“ vor. Marks beschreibt die Situation einer Gewaltkonfrontation in der U-Bahn, die befriedet wird, weil es einer Person durch einfühlsames und ungewöhnliches Handeln gelingt, aus der Gewalteskalation auszusteigen.
Anhand dieser Kurzgeschichte verdeutlichte Herr Wagner, dass es beim Zivilen Friedensdienst vorrangig um den Faktor Mensch und dessen konkretes Verhalten gehe. Das Anliegen des ZFD sei es nicht, die Konflikte anderer zu lösen. Vielmehr gehe es darum, danach zu suchen, was die anderen brauchen, damit diese ihre Konflikte selbst lösen können. Dabei sei es elementar, ein bestimmtes Wissen über die Konfliktlösungsmethoden anwenden zu können, welches in Kursen für Friedensfachkräfte erlernt werden kann.
Die erste Phase (1991 bis 1999)
Der Aufbau und die Entwicklung des ZFD lässt sich in drei Phasen einteilen. Die erste Phase 1991 bis 1999 war geprägt durch viele Stellvertreterkriege (z. B. der erste Irakkrieg), welche die Hoffnung auf eine Friedensdividende zunichtemachten. Damals waren Friedensaktivisten in die Konfliktregion Irak gereist um durch ihre Präsenz die Kombattanten vom Waffeneinsatz abzuhalten. Diese Absicht scheiterte zwar, aber im Umfeld des Bundes für soziale Verteidigung (BSV) wurde eine Vorgängeridee eines zivilen Friedensdienstes entwickelt. Weil die Frankfurter Rundschau 1994 ein entsprechendes Konzept veröffentlichte, wurde das Anliegen bekannt und Interesse geweckt. Die bereits bestehenden Entwicklungsdienste lehnten den ZFD zunächst ab, da sie in diesem eine Konkurrenz für ihre Arbeit witterten.
Daher war man bestrebt gesellschaftspolitische Unterstützung zu bekommen und suchte den Kontakt zu Bundestagsabgeordneten sprach die Bundestagsfraktionen an. Anders als beim damaligen Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger (CSU) gelang es bei Günter Verheugen (SPD), Heiner Geißler (CDU) und Joschka Fischer (Grüne) Interesse zu wecken. Der Vertrag von Dayton 1995 und der Jugoslawienkrieg verstärkte die Forderung nach praktischer Anwendung ziviler Lösungen.
Der damalige Minister
präsident von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, unterstützte das Pilotvorhaben für den ersten Ausbildungskurs zum ZFD auch finanziell. So wurden von 1997 bis heute fast 500 "Friedenszertifikate" für die erfolgreiche Teilnahme am Kurs über Zivile Konfliktbearbeitung vergeben.Neben theoretischen Grundlagen werden dabei auch praktische Kenntnisse vermittelt.
Das Konzept für den ZFD wurde weiterentwickelt und in der rot-grünen Regierungskoalition von der damaligen Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, umgesetzt. Organisationen wie Brot für die Welt, Deutscher Entwicklungsdienst (DED, heute aufgegangen in der Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, GIZ), Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) schlossen sich im Konsortium ZFD zusammen und betreiben den ZFD.
Die zweite Phase (1999 bis 2009)
In dieser Zeit stieg die finanzielle Unterstützung des ZFD durch die Bundesregierung von zwei Millionen auf 30 Millionen Euro. Das machte eine stärkere Rechtfertigung der Arbeit nötig. Damit verbunden war auch die Zielsetzung, die Qualität der Projekte zu verbessern und effizientere Konfliktlösungs-Verfahren zu entwickeln. Eine zweite Evaluierung des ZFD unter der neuen SPD/FDP-Regierung (die erste fand unter Rot-Grün statt) bestätigte, dass der ZFD wichtig und sinnvoll ist und weiter ausgebaut werden muss.
Die dritte Phase (2010 bis heute)
In einer dritten Phase, die bis heute andauert, kam es zu einem Diskussionsprozess über notwendige Veränderungen zur Wirkungssteigerung des ZFD. Die Situation ist geprägt von einer Vielzahl von unterschiedlichen Trägerorganisationen, die in verschiedenen geografischen Bereichen einer Konfliktregion arbeiten, ohne dass die Arbeit gut aufeinander abgestimmt ist. In einem längeren Diskussionsprozess reifte die Erkenntnis, wie wichtig es ist, dass die vielen Akteure eine länder- und trägerübergreifende Strategie entwickeln. Dadurch sollen die Kräfte gebündelt werden und ein (unbeabsichtigtes) Gegeneinanderarbeiten überwunden werden. So gibt es heute ein Konsortium von Friedensdiensten, die mit dem Entwicklungsdienst und den vor Ort vorhandenen Organisationen zusammen arbeiten. Im ZFD sind 27 Organisationen Mitglied. Aktuell arbeiten 200 Friedensfachkräfte in 40 Ländern weltweit.
Mehr Geld für den Zivilen Friedensdienst - vom Militär
Die von der Regierung bewilligten finanziellen Mittel für den Friedensdienst sind ziemlich gering, weshalb das forumZFD die Kampagne „20 Millionen Euro mehr vom Militär“ gestartet hat. Diese soll bewirken, dass dieser relativ geringe Betrag aus dem Verteidigungshaushalt für den ZFD umverteilt wird. Außerdem geht es auch darum, der zivilen Konfliktbearbeitung den Vorrang vor Militäreinsätzen zu geben. Die Aussichten, dass diese Forderung in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung geschrieben werden, sind nach Ansicht von Herrn Wagner gar nicht so schlecht. Immerhin hat der ZFD inzwischen Kontakt zu über 50 Bundestagsabgeordneten.
In der anschließenden intensiven Diskussion wurde gefragt, ob sich der ZFD zu sehr von staatlichen Geldern abhängig mache und als Feigenblatt für einen 1000-fach größeren Militärapparat missbraucht werde. Herr Wagner hält es für richtig, staatliche Gelder zu fordern, die schließlich von den Steuerzahlern aufgebracht werden, die ein Recht darauf haben, dass diese Mittel sinnvoll verwendet werden. Leider habe das Bundesministerium für Entwicklung und Zusammenarbeit die Gelder für die Friedensakademie um 250.000 Euro gekürzt. Grund dafür sei, dass es weniger Projekte und zu viele Friedensfachkräfte dafür gab. Auch für die Friedensarbeit im Balkan gab es 2013 eine Reduzierung um 600.000 Euro. Aktuell stehen dem ZFD 400.000 Euro an freien Mitteln zur Verfügung. Der ZFD denkt daher darüber nach, ein sogenanntes Fundraising aufzubauen.
Mit dem Wechsel zur schwarz-gelben Regierung gab es die Befürchtung, dass die neue Regierung ein von ihr nicht geliebtes Projekt abschaffen würde. Dass das nicht passierte, wertete Herr Wagner als ein Zeichen dafür, dass der Zivile Friedensdienst lässt sich nicht einfach abschaffen lässt, weil seine Bedeutung sich als wichtig erwiesen hat.
Eine weitere Frage war, ob der ZFD mit seiner Arbeit schon einen Krieg verhindern konnte. Leider konnte Herr Wagner diese Frage nicht bejahen. Bisher wurden nur kleine begrenzte Konflikte behandelt. Wichtig wäre für die Zukunft, präventiver zu arbeiten, um die „Lösung“ von Konflikten durch Gewalt und Waffen schon im Vorfeld zu überwinden.